Rheinische Post  21. Januar 1993                                     

Kein Strombedarf: Keine konventionelle Umrüstung
Brüter bleibt vorerst Bauruine

                                Von ALOIS PUYN

KALKAR. Bürgermeister van Dornick nahm im Pressegespräch nach der fünften Tagung des im Zusammen­hang mit dem Aus für den Schnellen Brüter gegründeten .Arbeitskreisen Kalkar" kein Blatt vor dem Mund. „Es ist für Kalkar völlig unbefriedigend und enttäuschend, was hier heute zuta­ge gekommen ist", stellte er fest.

Das harte Urteil, das Kalkars Stadt­oberhaupt fällte, galt den Ankündigun­gen, die das Vorstandsmitglied der RWE Energie AG, Dr. Bierhoff, zur Zu­kunft der Baustelle am Rheinufer gege­ben hatte. Der Umbau von Teilen des früheren Brüters zur Nutzung als kon­ventionell betriebenes Kraftwerk sei zwar technisch machbar, und die Akti­on sei auch von den Kosten her tragbar, aber es gebe weder in Deutschland noch in den Nachbarländern einen so großen Bedarf an Strom, daß eine Ent­scheidung zur Nutzung des Blocks in Kalkar gerechtfertigt sei. Zwar schränkte Dr. Bierhoff ein, diese Aus­sage bedeute keinen Verzicht für im­mer, aber es gebe keinen Grund, über das Projekt, das 500 Millionen Mark In­vestitionen bedeuten werde, „hier und heute" zu entscheiden.

Keine Umrüstung auf Öl oder Gas
Bis zuletzt hatten die Mitglieder des Arbeitskreises Kalkar anscheinend ge­hofft, daß die RWE-Energie den Kraftwerksblock am Rhein auf Öl oder Gas umrüsten werde. Aber für eine sol­che Verwendung von Teilen der frühe­ren Sieben-Milliarden Baustelle gab es laut Gutachten keine Chance. Die Aus­sage des RWE-Energie-AG-Vorstandsmitgliedes ließ keiner Illusion mehr Raum.

Positiv gewertet wurde dagegen die Feststellung Bierhoffs, eine Nutzung des Reaktorgebäudes, beispielsweise als Zwischenlager für leicht- und mit­telradioaktive Stoffe sei ebenfalls nicht aktuell, da es hier um eine Entschei­dung gehe, die nur im Rahmen eines Gesamtkonsens um die Zukunft der Kernenergie getroffen werden könne.

Sowohl der Arbeitskreisvorsitzende und Moderator des Gremiums, der langjährige Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Han­delskammer Duisburg, Dr. Theodor Pieper, wie Kalkars Bürgermeister van Dornick, ließen keinen Zweifel daran, daß man nicht die Auswirkungen einer solchen eventuellen Umwidmung auf den Absatz der Produkte außer acht lassen dürfe, die demnächst im Gewer­begebiet Kehrum entstehen.

Bürgermeister van Dornick: "Bauruine auf Dauer nicht geduldet"
Dieses Gewerbegebiet ist das Leit­projekt einer Reihe von Maßnahmen, die auf andere Weise Kalkar aus dem Schlagschatten des Brüters führen sol­len, dessen Bauruine man - so das Stadtoberhaupt - unter keinen Um­ständen auf Dauer in der Landschaft dulden werde. Kalkar könne nicht im­mer mit einer „optischen und ideellen Hypothek" leben.

Millionen Zuschüsse aus Bonn und Düsseldorf für Projekte 1)

Dankbar und optimistisch wurde noch einmal die gesamte Liste der Maßnahmen zur Kenntnis genommen, die mit Millionen-Zuschüssen aus Bonn und Düsseldorf Kalkar helfen sollen. Da sind neben dem 25-Hektar-Gewerbegebiet im Ortsteil Kehrum, für das ansiedlungswillige Betriebe schon gefunden worden sind, eine Querspan­ge von der A 57 nach Uedem, um den Verkehr zu den neuen Unternehmen zu lenken, die Erweiterung der Kläranla­ge, der Aufbau einer gemeinsamen Touristikagentur der Stadt Duisburg und der Kreise Kleve und Wesel in Kal­kar, der Ausbau des Erholungsgebietes Wisseler See, die Verbesserung des kul­turellen Angebots im Kleverland, Pro­jekte für die Berufsausbildung, die Fortsetzung der Stadterneuerungs­maßnahmen in Kalkar und die Verbes­serung der Agrarstruktur.

Diese öffentlichen Projekte, die viel­fach bedeutende private Investitionen nach sich ziehen werden, dürften in der nächsten Sitzung des ,Arbeitskreises Kalkar" im April erneut engagiert dis­kutiert werden.

Ingesamt ca. 130.000 Mio. DM sind als Ausgleich für die Stilllegung des Brüters geflossen und über das Programm "Kalkar 2000" investiert worden!

Anmerkung:  Das Layout wurde zur besseren Übersicht und Lesbarkeit nachträglich geändert mit Zwischenüberschriften!

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