Das Taufbecken von Hönnepel

 und das Denken der Menschen im frühen Mittelalter

 (von Burkhard Brücker)

Das älteste Einrichtungsstück der Kirchen von Hönnepel ist das Taufbecken aus Namur-Basalt. Es stammt aus der Zeit um das 12. Jahrhundert. In dieser Zeit hat die Taufe eine gewisse Aufwertung erfahren, denn davor gab es die Taufe nur am Osterfest und zu Pfingsten und diese durfte nur vom Bischof gespendet werden. Jetzt taufte man die Kinder gleich nach der Geburt und wenn möglich noch am gleichen Tag.  Wenn wir Hönnepel schon 1206 als Pfarrei beurkundet finden[1], dann hängt das mit dem frühen Tauf- und Beerdigungsrecht in Hönnepel zusammen und das bezeugt das vorhandene Taufbecken. Die Menschen im frühen Mittelalter verlangten nach Heil. Ihre Religiosität war damit aufs engste verbunden. Man sah sich bedroht von dämonischen Kräften. Die Fratzen auf dem Taufstein und eine aus der Zeit um 1150 stammende Fratze, die am Turm der Kirche von Hönnepel befestigt war, belegen das. Aber damit nicht genug, denn der Taufstein zeigt auf, wie der damalige Mensch denkt, denn nichts war zufällig, sondern alles hatte im frühen Mittelalter seine Bedeutung. Der Taufstein steht heute in einer im 19. Jahrhundert im Westen an das gotische Seitenschiff angebaute Kapelle. Sein ursprünglicher Standort war die Turmhalle im Südwesten der Kirche. Der Westen ist der Bereich, wo man die bösen Mächte vermutete und wo die Sonne nicht schien oder unterging.

Der Taufstein ist aus einem Stein gehauen worden. Ein großes Becken liegt auf fünf Säulen. Eine große mittlere Säule ist umgeben von vier kleinen Säulen. Diese Anordnung verweist auf das traditionelle Darstellungsschema des Kosmos: In der Mitte erhebt sich die Weltachse, umgeben von den vier Himmelsrichtungen als das Symbol für das allumfassende Universum. Dazu kommen die vier Eckmasken als Symbol  für die vier Winde. Die mittlere Säule verweist auf Christus, dem Herrn des ganzen Kosmos. Sie verweist auch auf die Zahl Eins, die damals die All-Einheit  und die Ewigkeit bedeutete. Sie war der Mutterschoß, aus dem alle anderen Zahlen „geboren“ werden. Die vier kleinen Säulen stehen für die Welt, denn die Vier ist die Zahl der heutigen Erde, die aus vier Elementen besteht (Feuer, Luft, Wasser und Erde) und die von vier Himmelsrichtungen umschlossen ist. Sie wird von den vier Reichen, dem Mineral-, dem Pflanzen-, dem Tier- und dem Menschenreich bewohnt und von vier Jahreszeiten belebt. Die Zahl Fünf (eine große und vier kleine Säulen) ist die Zahl des Menschen – vor allem die Zahl des „zukünftigen Menschen“. Durch die Fünf entsteht die erste echte Sternform, das Pentagramm, in das sich die Menschengestalt einschreiben lässt. Der Zukunftsmensch wird nicht mehr viergegliedert (physischer Leib – Lebens- oder Ätherleib – Seele oder Astralleib – Ich) sein wie der heutige Mensch, sondern als fünfgegliederter Mensch das „Geistselbst“ dazu gewonnen haben[3]

 

Geht man von den vier kleinen Säulen nach oben, findet man dort jeweils eine Eckmaske.
Diese Fratzen haben eine das Böse abwehrende Funktion.
Das wird dadurch unterstrichen, dass das Taufbecken im Westen steht, nämlich dort, wo man schon in vorchristlichen Zeiten das Böse vermutete. 

Sie sollen das Wasser vor den bösen Mächten schützen.  Augen und Nasen dieser Fratzen sind besonders herausgehoben.

 

 

 Der Mund fehlt jedoch.   Bei den Wangen des Taufbeckens stehen zwei Bildwerke mit positiver Aussage zwei anderen mit negativer Aussage entgegen.
 Positiv sind es Blattornamente, die für das Leben stehen.

Negativ sind es zwei flache Steinfratzen, die den Tod anzeigen. 
Das macht den ständigen Kampf zwischen Gut und Böse sichtbar,
an den der Gläubige erinnert werden soll.
 

 

 

 

 

In der Taufe jedoch wird der Sieg des Lebens über den Tod hinaus zum Ausdruck gebracht. Im Taufbecken selbst wurde der Säugling vollkommen untergetaucht und dann, wie das Sprichwort sagt, aus der Taufe gehoben.
Die ursprüngliche Größe des Beckens ist noch gut zu erkennen. Heute ist das Becken verkleinert. 
Das Denken der Menschen im frühen Mittelalter ist nicht immer verstanden worden und scheinbar verloren gegangen. So kam es in Folge eines Bildersturms im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts und durch die Aufklärung dazu, dass man das Taufbecken aus der Turmhalle der Kirche in Hönnepel entfernte und auf dem Friedhof lagerte, denn seine Symbolik galt als heidnisch und nicht mehr zeitgemäß. Für ihn stand wohl an heutiger Stelle ein neugotisches kleines Taufbecken, das jetzt in der Leichenhalle aufbewahrt wird. Kunstsachverständige haben den alten wertvollen Taufstein dort neu aufstellen lassen. Es ist ein herausragendes Beispiel für die frühe Taufpraxis in Hönnepel und für das Wirken der Ordensfrauen, die von Hönnepel aus missionierten. Seinen größten Wert besitzt der Taufstein jedoch durch die Tatsache, dass seit fast tausend Jahren die Kinder aus Hönnepel in und an ihm getauft wurden und weiterhin werden.

[1] Handbuch des Bistums Münster, bearbeitet von Dr. Heinrich Börßting und DDr. Alois Schröder, 2. Auflage, Verlag Regensberg Münster 1946,  Band 2, S. 317
[2] Heinrich Janssen/Udo Grote: Zwei Jahrtausende Geschichte der Kirche am Niederrhein, Dialog Verlag, Münster 1998, S. 66
[3]Benita von Schröder: Das Mysterium von Chartres, Urachhaus Stuttgart, 2. Auflage 2000, S. 73 u 74